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Wenn auch beiläufig, doch ganz bewusst, zündet
er eine Kerze an – an einem warmen Spätsommertag.
Die Sonnenstrahlen recken sich durch die geöffnete
Terrassentür tief ins Zimmer hinein. Hier im Gartenhaus,
einem früheren Hühnerstall, lässt kein Lufthauch
die Flamme flackern. Inmitten ländlicher Abgeschiedenheit
hat er sich einen Raum geschaffen, in dem er ganz bei sich
sein kann: Peter Dyckhoff. Er ist katholischer Priester
und einer der erfolgreichsten Buchautoren christlicher Literatur.
Er liebt die Stille, die Ruhe.
Seine Bewegungen sind bedächtig, seine Stimme weich
und warm. Wer dem 75-Jährigen begegnet, könnte
meinen, dass ihn so leicht nichts aus der Ruhe bringt. Doch
kürzlich ein Wasserrohrbruch im Wohnhaus und
die gleichzeitige Vorbereitung einer Reise ins Ausland konnten
ansatzweise dafür sorgen. „Das bedeutet für
mich eine Einschränkung einer gewissen Ruhe und einer
gewissen Freiheit. Dann wurde es mir doch einige Stunden
zuviel. Ich bin zwischendurch in die Ruhe gegangen, speziell
in das Ruhegebet, das ich auch lehre. Dann wurde es wesentlich
besser“, sagt er. Das Ruhegebet. Es ist zentral –
geworden – in seinem Leben. Immer wieder kommt Dyckhoff
im Gespräch auf diese alte christliche Gebetsweise
zurück. Die Wüstenväter hätten diese
zwischen dem dritten und vierten Jahrhundert als erste praktiziert
und „zum Glück“ aufgezeichnet. Die Aufzeichnung
von Cassian (360 bis 435) ist erhalten geblieben und das
Fundament des Ruhegebetes. Über dieses Gebet hat Dyckhoff
unter dem Titel „Gebet als Quelle des Lebens. Systematisch-theologische
Untersuchung des Ruhegebetes, ausgehend von Johannes Cassian“
in Dogmatik promoviert.
"es entdeckte mich“
Das Ruhegebet war es auch, das ihn vor vielen Jahren aus
einer Sackgasse geholt hat. „In dieser Sackgasse
habe ich das Ruhegebet entdeckt – oder besser gesagt:
es entdeckte mich“, erinnert er sich. Rückblick:
Als sein Vater 1964 bei einem Unfall starb, erfüllte
Peter Dyckhoff dessen Wunsch und übernahm im Alter
von 27 Jahren (er studierte Psychologie) die Firma mit über
200 Mitarbeitern. Doch er konnte den Betrieb „nicht
in der Weise führen wie ich es hätte tun müssen“,
erzählt Dyckhoff. „Ich bin nicht der geborene
Geschäftsmann. Ich fühle mich ganz anderswo zu
Hause. Und weil ich diesem Druck nicht gewachsen war, habe
ich dann
mehr oder weniger getrunken“, sagt er ohne Umschweife.
Am wohl tiefsten Punkt gab es eine Art Fingerzeit Gottes.
„Da kam eine Wende in mein Leben.“ Eigentlich
wollte er alles hinwerfen, davonlaufen, sich „verdünnisieren“.
Da empfahl ihm ein Professor aus Münster einen Kurs
zur Einübung in das Ruhegebet. Obwohl sich Dyckhoff
erst sträubte, besuchte er „aus einer
gewissen Ratlosigkeit, Verzweifelung“ dann doch diesen
Kurs und machte die Erfahrung: „Ich bin angenommen.
Ich darf etwas an Innerlichkeit oder an Geschenk erfahren,
obwohl sich mein Leben in sehr schlechten Bahnen bewegt.
Und das war Hoff nung. Wie ein Samenkorn. Es brach auf und
da kam Hoffnung.“
Was ist das Wesentliche am Ruhegebet? „Es hat mich
gelehrt, vor Gott nichts leisten zu müssen. Da zu sein
in der Anrufung Gottes, wach zu sein aber inaktiv, empfangsbereit,
hörend. Und aus dieser Ruhe entsteht eine tiefere Ahnung
Gott gegenüber. Da ist etwas über uns, das waltet
über uns und das liebt uns und das führt uns,
und wir sind nicht alleine und es wird unbedingt weitergehen
nach dieser Welt durch den körperlichen Tod.“
Mit
40 Jahren wagte Dyckhoff, der schon früh Priester werden
wollte – was seine Eltern nicht duldeten, da er den
Betrieb übernehmen sollte –, einen radikalen
Neuanfang: Er stellte einen Geschäftsführer für
die Firma ein und fand wieder zu sich. Durch das Ruhegebet
wurde der alte Wunsch, Priester zu werden, wieder lebendig.
Dyckhoff studierte Theologie. Mit 44 Jahren wurde er geweiht.
Ab 1982 war er über drei Jahre Wallfahrtsseelsorger
in Kevelaer, danach Gemeindepfarrer in der Diözese
Hildesheim, wo er 1989 Aufbau und Leitung der bischöflichen
Bildungsstätte „Haus Cassian“ übernahm.
Vor 13 Jahren kehrte der gebürtige Rheiner in seine
Heimatdiözese Münster zurück. Hier widmet
er sich weiterhin pastoralen Aufgaben. Sein Lebensmotto
lautet: „Hingabe schafft Rettung." Und gleichzeitig
die dritte Vaterunser-Bitte: "Dein Wille geschehe.“
Das Eintauchen in die Liebe Gottes und das Loslassen von
sich selbst, also Hingabe, schaffe letztlich Rettung, und
das habe er erfahren dürfen. Nun hat der Mann, der
die Ruhe liebt, den Koffer für die nächste Reise
gepackt. Es geht zu Fernsehaufnahmen in die Schweiz.
Cornelia Schaffeld
Katholische Sonntags-Zeitung für Deutschland
© Foto: Schaffeld
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