Artikel über Peter Dyckhoff

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Über den Autor
Peter Dyckhoff
in Rundfunk und Fernsehen
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„Ich gehe mit dem Licht“
Peter Dyckhoff war Unternehmer, entschied sich dann aber für den Priesterberuf.
Jetzt ist er so etwas wie ein spiritueller Lehrer geworden.


Noch Tage nach dem Treffen mit Peter Dyckhoff wirkt die Begegnung nach. Obwohl sich der Siebzigjährige schon vor geraumer Zeit aufs Land, in ein ehemaliges Bauernhaus bei Münster, zurückgezogen hat, ist er ungewöhnlich offen. Lange lässt er sich von seinem Besucher Fotos zeigen. Immer wieder fragt er nach. Der Mann ist geduldig, tief, feinfühlig. Dabei kann er durchaus klar und abgegrenzt sein, allerdings auf eine liebevolle Art. Dyckhoff lässt keinen Zweifel daran, was er will. Kaum zu glauben, wenn er von sich sagt, er sei früher beeinflussbar gewesen. Das muss lange her sein. Vielleicht damals, als er noch unsicher zwischen Theologie- und Psychologiestudium pendelte und alsbald die väterliche Textilfirma übernahm und Unternehmer wurde. Nicht weil er wollte, sondern weil er dachte, er müsste. Heute ist Peter Dyckhoff einer der erfolgreichsten christlichen Autoren überhaupt.
Erst im Alter von 43 Jahren wurde er zum Priester geweiht. Rund 15 Bücher hat er seither geschrieben und bei den Verlagen Herder, Don Bosco und Kösel veröffentlicht. Regelmäßig ist er im christlichen Hörfunk und Fernsehen präsent. Als geistlicher Begleiter und Leiter des Bildungshauses Cassian bei Hildesheim unterwies er von 1988 bis 1999 viele Menschen in christlicher Meditation, lehrte sie das sogenannte Ruhegebet. „Das innere Gebet, das Ruhegebet ist mein Lebensthema“, sagt Dyckhoff. Seit rund 40 Jahren praktiziert er täglich diese urchristliche Meditationsform. Mit mehreren Büchern – „Einübung in das Ruhegebet“, „Bete ruhig“ oder „Einfach beten“ – holte Dyckhoff das Gebet des Kirchenlehrers Cassian aus der Vergessenheit und erschloss seiner Kirche eine Frömmigkeitsform, die längst als bessere, da christuszentrierte Alternative zu den auch unter Christen beliebten östlichen Meditationstechniken wie Zen oder Vipassana gilt.
Über das Ruhegebet schrieb er seine Doktorarbeit. Das Ruhegebet war es auch, das ihn Mitte der Siebzigerjahre weg vom Alkohol brachte. „Das Gebet verwandelt“, sagt Dyckhoff. „Ich wurde sensibler für mich, meine Mitmenschen, meine Umwelt. Ich schmeiße heute nichts mehr aus dem Auto, lasse mich auf keine unnötigen Diskussionen ein.“ Durch das regelmäßig praktizierte Gebet komme der Mensch nach und nach wieder zurück in seine Mitte, in seine natürliche Lebensenergie. „Wie ein Kind, das noch nicht durch Erziehung, Sitten und Verbote verkrampft und verbogen ist.“ Dyckhoff isst kein Fleisch, schaltet selten den Fernsehapparat ein, hört nur gelegentlich Musik. Auch Kaffee und Tee ließ er irgendwann sein. „Diese Stoffe putschen auf und unterbrechen den klaren Gedankenfluss“, sagt er.

Tatsächlich scheint der Geistliche tief in seiner Mitte verankert. Obwohl in der Nacht ein guter Freund gestorben ist und Dyckhoff kaum geschlafen hat, lässt er sich konzentriert auf das lange Interview ein. In einer kurzen Pause organisiert er das Notwendige, macht Termine beim Bestatter und verabredet sich mit einer Angehörigen. Auf die Frage, ob sein Freund nun an einem friedlichen Ort sei, lächelt Dyckhoff: „Ich bin mir da ganz sicher . . .“
Anders als manch andere spirituelle Lehrer hat Dyckhoff seinen Ausstoß an Büchern nicht jährlich erhöht und den Bedürfnissen einer an „leichter“ Spiritualität interessierten Leserschaft angepasst. An seinem erfolgreichsten Buch „Auf dem Weg in die Nachfolge Christi.
Geistlich leben nach Thomas von Kempen“ arbeitete Dyckhoff ein Jahr. Im Gartenhaus, einem umgebauten Hühnerstall, betete er und betrachtete den sperrigen Urtext so lange, bis er Formulierungen fand, um ihn heutigen Lesern zu erschließen. „Das Buch von Kempen hatte in mir die Leidenschaft entfacht, Priester zu werden. Ich musste diese Perle der christlichen Tradition einfach neu beleben. Der alte Text war an vielen Stellen zu streng. Da gab es zu viele 'du musst’ und 'du sollst’.“ Mit Verboten und familiären Verpflichtungen hat der Mann, der 1937 in Rheine geboren wurde, schlechte Erfahrungen gemacht. Zwar konnte sich Dyckhoff nach der Schule zunächst gegen seine Eltern durchsetzen und ein Theologiestudium am Priesterseminar in Sankt Georgen beginnen. Doch beim Fußballspiel brach eine alte Rückenverletzung wieder auf und Dyckhoff stürzte schlimm. Wochenlang lag er im Koma. In der Bewusstlosigkeit machte er erste mystische Erfahrungen, wie er sagt. Doch umso schlimmer wurde das Erwachen. „Ich bekam Elektroschocks. Außerdem musste ich zurück in eine Welt, in der ich gar nicht leben wollte.“ Sein Widerstand gegen die Eltern, die ihren Sohn in den Fußstapfen des Vaters sehen wollten, war gebrochen. „Das Priestersein war mir aus der Seele geschlagen.“

Wenn Dyckhoff von seinen Eltern spricht, benutzt er keinen Artikel. Er sagt „Mutter wollte das so“ oder „weil Vater meinte“. Diese Gepflogenheit zeigt, wie eng er mit seiner Familie verzahnt ist. So stellte er sich sofort in den Dienst seiner Familie, als sein Vater 1964 bei einem Autounfall starb. Von einem Tag auf den anderen übernahm er die Firma „Dyckhoff Frottier“ mit rund 250 Angestellten und lebte zwölf Jahre ein Leben, für das er nicht geschaffen war. Er wurde Kaufmann, managte und akquirierte. Mit Musterkoffern voller Bettwäsche,
Handtüchern und Bademänteln tingelte er durch die Vorstandsetagen von Karstadt, Hertie und Horten. „Irgendwann stand ich mutterseelenallein auf der Autobahn, hatte nichts verkauft und spürte nur noch Druck, Druck, Druck.“ Schließlich bedeutete jeder neue Auftrag wieder ein paar Wochen Vollbeschäftigung. Dyckhoff begann zu trinken. Um leistungsfähig zu bleiben, nahm er zum Einschlafen Tabletten und zum Aufwachen Aufputschmittel. Doch er musste nicht wie andere Süchtige den Weg bis ganz unten gehen. Er suchte nach Lösungen. Eine meinte er in Transzendentaler Meditation finden zu können. Doch das befriedigte ihn nicht. Ein Pfarrer unterwies Dyckhoff schließlich in das innere Gebet und holte ihn damit zurück in seine Herkunftskirche. „In dem Gebet gab es kein neues 'du musst’. Ich spürte zum ersten Mal, dass es so etwas wie Liebe ohne Leistung gibt. Religion war vorher für mich vor allem Theorie, Theologie. Doch auf einmal wurde der Glauben lebendige Erfahrung. In der Kirche haben wir zu lange Gebote, Verbote und Dogmen betont“, sagt er. Deswegen mache das Christentum nun einen Schrumpfungsprozess durch. Aber Dyckhoff ist sicher: „Am Ende wird die Kirche gestärkt aus diesem Prozess hervorgehen.“ Manchmal müssen die Dinge erst klein werden, damit sie wachsen können. Schon im Johannesevangelium heißt es: „Jede Rebe, die keine Frucht bringt, wird verworfen.“ Und auch Dyckhoff backte fortan kleinere Brötchen. Für seine Firma suchte er einen Geschäftsführer und stieg aus. Als 40-Jähriger kehrte er zurück an die Uni. 1981 wurde er zum Priester geweiht. Seine erste Anstellung war die eines Kooperators in Südtirol. Obwohl die Arbeit als Krankenhausseelsorger und Sterbebegleiter viel von ihm forderte, beschreibt Dyckhoff die Zeit als die glücklichste seines Lebens. Seine Augen leuchten, wenn er erzählt, wie er mit einem klapprigen Käfer-Cabrio
über die Dolomitendörfer fuhr.
Bald wurde der Westfale zurück nach Deutschland gerufen, wo er zunächst in Kevelaer als Wallfahrtsseelsorger arbeitete. 1985 holte ihn Bischof Josef Homeyer in die Diözese Hildesheim. Im Weserbergland leitete Dyckhoff zwölf Jahre das Bildungshaus Cassian und gab dort das, was ihn selbst so verwandelt hatte, an die Menschen weiter. Obwohl Dyckhoff auf Beobachter eher wirkt wie ein Mönch als ein Weltpriester, kam das Ordensleben für ihn nie infrage. „Ich kann mich nicht so gut anpassen an eine Gruppe von Männern“, sagt Dyckhoff. „Ich genieße gerne die ganze Fülle des Lebens.“ Mit dem Kauf des Bauernhauses bei Senden erfüllte sich Dyckhoff einen weiteren Wunsch. „Nach den vielen Umzügen, den Begegnungen mit Menschen, dem Pilgerdienst, den Predigten, der Sterbegleitung, der langen Zeit desSeelsorgens wollte ich in die Einsamkeit gehen.“
Begleitet wird Dyckhoff vor allem von seinem Hund Kino. Weil das 17-jährige Tier fast blind ist und sich nur noch schwer bewegen kann, bleibt Dyckhoff meist daheim. „Ich möchte Kino etwas zurückgeben“, sagt er und erzählt, wie der Hund ihm nach der Schließung des Hauses Cassian eine große Stütze war, als er mit der plötzlichen Leere nicht umgehen konnte.
Überhaupt scheinen Tiere eine besondere Bedeutung im Leben des Peter Dyckhoff zu haben. Sein Arbeitszimmer ist voll gestellt mit Eulen. Dann erzählt der Priester, dass sich ihm oft Rehe,
Hasen, Graugänse, Blesshühner und Schleiereulen zeigen, wenn er bei offenem Fenster arbeitet. Seinen Schreibtisch richtet er gern zur Sonne aus. „Ich gehe so etwas mit dem Licht“, sagt er und macht dazu eine feine, ganz ruhige Handbewegung.

Andreas Kaiser